Cybermobbing – Formen – Ursachen – Rechtliche Möglichkeiten 

Wir befassen uns seit Jahren intensiv mit Mobbing-Fällen in der Schule. Uns ist das Zusammenspiel zwischen Schule, Schülern, Eltern und Aufsichtsbehörden wie der Bezirksregierung sehr geläufig. In zahlreichen Fällen konnten wir die Interessen von Lehrern und Schülern in einem schwierigen Umfeld gut vermitteln. Wir erleben immer wieder, dass in Schulen kräftig gemobbt wird. Das Thema hat sich verschärft, weil durch Medien wie Facebook, Youtube etc. die Möglichkeiten, andere zu treffen, insbesondere unter dem Deckmantel der Anonymität zu denunzieren und breite Öffentlichkeiten herzustellen, enorm gestiegen sind.

Mobbing in der Schule

Teilweise gehören Streitigkeiten zum Sozialisationsprozess von Schülern und Jugendlichen. Solange es Schüler lernen, mit solchen Angriffen fertig zu werden, ist das Teil der schulischen Erziehung. Wenn sie aber eine Intensität erreichen, dass ein Eingreifen von Lehrern und Eltern notwendig wird, sind die Juristen inzwischen auch nicht weit. Ein etwa 12 1/2 Jahre alter Gymnasialschüler, der im Unterricht über das Thema „Cyber-Mobbing“ informiert und dahingehend aufgeklärt wurde und der nach seiner geistigen Entwicklung die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht ebenso hatte wie die intellektuelle Fähigkeit, die Gefährlichkeit seines Tuns zu erkennen und sich auch den Folgen seines Verhaltens bewusst zu sein, ist deliktsfähig, hat das Landgericht Memmingen entschieden.

Ähnlich wie in der betrieblichen Praxis ist bei Schulen zu beobachten, dass abstrakte Thematisierungen der Problematik oft suggerieren, die Schule habe sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Kommt es zum Ernstfall, und dazu kommt es oft genug, werden die Hilflosigkeiten sichtbar. Lehrer fühlen sich überfordert, Schüler und Eltern im Stich gelassen. Gewisse Themen sind so undelikat, dass man sich ihnen lieber entzieht, um nicht Gefahr zu laufen, vorurteilsbehaftet zu reagieren. Schüler haben altersbedingte Artikulierungsschwierigkeiten, die ein Übersehen solcher Probleme leichter machen. Keine Schule möchte mit ihrer „corporate identy“ verbinden, dass gemobbt wird. Das macht es für Opfer und ihre Eltern oft schwer, gehört zu werden.

Schulmobbing ist ein öffentlichkeitswirksames Thema. Die Bundeszentrale für politische Bildung gibt eigens Informationsblätter dazu heraus. Es ist natürlich bei einem so sensiblen Thema die Frage, ob juristische Maßnahmen weiter helfen. „In einem frühen Stadium von Mobbing kann es ausreichen, wenn man mit seinem Kind das Verhalten in bestimmten Situationen übt“, so Jo-Jacqueline Eckardt, Autorin des Buches „Mobbing bei Kindern“ (Zitiert nach Spiegel Online – 12.04.2007). Facebook, WhatApp und andere Kommunikations- und Community-Systeme schaffen hier Möglichkeiten, die weiter über das in ein Schreibpult hineingeritztes „Martin ist doof“ hinausgehen. Hier sind viele in solchen digitalen Kontexten beteiligt, sodass regelrechte Hetzjagden veranstaltet werden. Kompromittierendes Fotomaterial ist ein Instrument, um einen öffentlichen Pranger zu errichten, der SchülerInnen zur Verzweiflung treiben kann.

Im Zusammenhang mit diesem Thema sind aber selbstverständlich auch Konstellationen denkbar, in denen Lehrer von Schülern in einer Weise gemobbt werden, die mit den lustigen Späßen der Feuerzangenbowle („Baldrian“) nicht mehr viel Gemeinsamkeit hat. Vom „Cyber-Bullying“ in Großbritannien berichten die Medien. Dort werden Lehrer in dieser oder jener diffamierenden Weise dargestellt und die Bilder etc. im Internet veröffentlicht. In der Parkklinik Heiligenfeld in Bad Kissingen werden deutsche Lehrer behandelt. Aber welche juristischen Möglichkeiten bestehen, sich gegen solche Angriffe erfolgreich zu wehren, bevor man zum Reha-Fall oder „Ausgestoßenem“ wird?

Die Rechtsprechung zu Mobbing-Ansprüchen gegenüber Mitschülern oder gegen Schulen, die ihre Fürsorgepflicht vernachlässigen, hält sich in Grenzen. Das VG München hat in einer relativ aktuellen Entscheidung aus dem Jahre 2018 entschieden, dass das einem Schüler vorgeworfene Verhalten des Mobbings gegenüber einem Mitschüler über einen Zeitraum von ca. 1 ½ Jahren so schwerwiegend ist, dass eine Entlassung von der Schule in Betracht kommt. Im Hinblick darauf, dass die Entlassung die schwerwiegendste Ordnungsmaßnahme darstelle, die die Schule selbst verhängen önne, hat sich die Entscheidung, ob diese oder eine weniger einschneidende Ordnungsmaßnahme ausgesprochen wird, daran zu orientieren, ob ein Verbleiben des Schülers an der Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter nicht mehr hingenommen werden kann und dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann.

Es gab in Spanien die Entscheidung eines Gerichts, das einem zehn Jahre alten Schüler gegen die Schule einen hohen Schmerzensgeldbetrag (30.000 Euro) zugesprochen hat. Der Schüler war über einen längeren Zeitraum von Mitschülern schikaniert und wohl auch geschlagen worden, ohne dass die Schule etwas dagegen unternommen hätte. Das gibt es definitiv in Deutschland auch, nur gerichtliche Entscheidungen dieser Art liegen (noch) nicht vor.

Prügeleien unter Schülern

Tätliche Angriffe können weitreichende Folgen haben, wie die Rechtsprechung mehrfach entschieden hat. Im Hinblick darauf, dass die Androhung der Entlassung eine der schwerwiegendsten Ordnungsmaßnahmen darstellt, die die Schule selbst verhängen kann, hat sich die Entscheidung, ob diese oder eine weniger einschneidende Ordnungsmaßnahme ausgesprochen wird, daran zu orientieren, ob ein Verhalten des Schülers im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags und wegen des Schutzes Dritter nicht mehr hingenommen werden kann und dem Schüler dies in aller Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nämlich nicht geduldet werden kann. Im Rahmen der Ordnungsmaßnahme ist nicht nur isoliert die die Ordnungsmaßnahme auslösende Tat, sondern sind auch die Gesamtumstände in die Entscheidung miteinzubeziehen. Danach kann ein tätlicher Angriff, etwa die Bedrohung mit einem Messer wie auch die Verbreitung und von massiven Beleidigungen und Drohungen im Internet gegenüber Mitschülern u. U. sogar eine Entlassung rechtfertigen.

Schlägereien auf dem Schulhof weisen eine haftungsrechtliche Besonderheit auf. Sie werden unter bestimmten Voraussetzungen als Schulunfall eingestuft, dessen Folgen dem jeweiligen Schädiger durch die Unfallversicherung abgenommen werden. Das geschieht regelmäßig im Interesse des Schulfriedens und des ungestörten Zusammenlebens von Lehrern und Schülern in der Schule. Maßgeblich sind hier §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit § 106 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII. Danach kann Ersatz des Personenschadens, den ein von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasstes Schadensereignis verursacht hat, nur verlangt werden, wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. In solchen Fällen muss der Vorsatz nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen.

Die Klage einer Lehrerin wegen Mobbing blieb im Jahre 2012 vor dem Landesarbeitsgericht Köln erfolglos. Schultypische Konflikte seien üblicherweise in Gesprächen zwischen dem sich benachteiligt fühlenden Lehrer und der Schulleitung sowie dem Lehrerkollegium zu erörtern mit dem Ziel, sie beizulegen. Dabei kann es dem betroffenen Lehrer obliegen, derartige Gespräche anzustoßen, insbesondere wenn die erhebliche Auswirkung der Konflikte auf seine Gesundheit für die Schulleitung und die anderen Lehrer so nicht erkennbar ist. Was anderes gilt, wenn es sich von vornherein um ein systematisches und zielgerichtetes Anfeinden handelt. Der Lehrerin wurde nicht das Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro zugesprochen, das sie beansprucht hatte. Aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München aus dem Jahre 2018 wird deutlich, dass die Vorstellung, dass Mobbing an Schulen existiert und auch harte Konsequenzen gezogen werden müssen, inzwischen verbreiteter ist. Zwar können Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes unter Kindern nicht uneingeschränkt nach den für Volljährigen geltenden Maßstäben beurteilt werden. Denn unter Kindern sind der Gebrauch von Schimpfwörtern oder von Ausdrücken, die strafrechtlich als Beleidigungen zu wertensind, oft üblich. Enthalten die Äußerungen aber auch Beleidigungen und Behauptungen, die das Opfer im Kern seiner Persönlichkeit treffen und verletzen und werden diese Äußerungen über ein Internetportal etwa durch die Verfälschung  des Internetaccounts auch noch mit nicht unerheblicher krimineller Energie unter Verwendung eines unberechtigt benutzten Bildes erstellt, so sind solche Äußerungen nicht hinzunehmen, hat das Landgericht Memmingen entschieden.

Geldentschädigung bei Mobbing

Zunächst gilt für Mobbingfälle regelmäßig, dass sie Einzelfallcharakter haben. Relativ problemlos sind Unterlassungsansprüche gegen Mobber. Die Unterlassung der Veröffentlichung von Einträgen auf Seiten von virtuellen „social communities“ kann auf einem Anspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK beruhen, wenn das Persönlichkeitsrecht des Opfers verletzt wurde. Es kommen auch schulordnungsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Ordnungsmaßnahme ist insbesondere zu berücksichtigen, inwiefern das Verhalten des Schülers die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt hat. Die Anordnung der Versetzung in die Parallelklasse wurde von der Rechtsprechung angesichts des massiven Fehlverhaltens eines Schülers bejaht, weil er vor allem anstiftend am Mobbing gegenüber einem anderen Schüler beteiligt war und das Klassenklima in der Klasse gestört hatte.

Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs ab, also von Ausmaß und Intensität der Ausstrahlung, von der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten sowie dem Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens. Gerade die Persönlichkeit von Minderjährigen bedarf besonderen Schutzes, wie das Bundesverfassungsgericht 2000 festgestellt hat. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche. Auch sie müssen sich erst noch zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln.

Bei der Sanktionswirkung, die mit einem Schmerzensgeld bzw. einer Entschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung verbunden ist, ist generell auf Art, Ausmaß und Intensität der jeweiligen Persönlichkeitsverletzung abzustellen. Hier hat das OLG Hamm dem Aspekt der Minderjährigkeit besondere Bedeutung beigemessen. Dabei wurde bei der Bewertung des Verletzungsgrads auf das „Gespött von Mitschülern“ und „anonyme Anrufe“ sowie auf Beleidigungen in der Öffentlichkeit abgestellt. Ähnlich sind die Effekte des „Cybermobbing“ zu beschreiben.

Gerichte sind aber eher zurückhaltend bei der Festsetzung von Schmerzensgeld, weil die Minderjährigkeit der Täter regelmäßig berücksichtigt werden muss. Hinzu kommt, dass in Fällen, in denen Schüler weiterhin dieselbe Schule besuchen, der nächste Konflikt schon vorgezeichnet ist, wenn zuvor empfindliche Sanktionen verhängt wurden. Allerdings gilt das auch für die umgekehrte Konstellation, wenn offensives, rechtsverletzendes Verhalten folgenlos bleibt.

Herr Rechtsanwalt Dr. Palm hat selbst drei Kinder und kennt von daher den typischen Schulalltag sehr gut. Mobbing ist ein immer wieder auftretendes Phänomen. Dabei sind Art und Intensität solcher Verhaltensweisen sehr verschieden. Wir hatten neulich erst an einer Schule eine sehr gute Kooperation mit der Schulleitung und der Schulaufsicht, sodass der Schüler inzwischen wieder problemlos die Schule besucht. Zuvor stand im Prinzip nur die Frage im Raum, ob der Schüler die Schule verlässt. Das kann vermieden werden, wenn die Probleme sachlich aufgezeigt werden und eine Frontstellung gegenüber der Schule vermieden wird. Sollte allerdings die Schule ihre Verantwortung nicht erkennen, sind wir auch bereit, diese Position nachhaltig zu verfolgen.

Rechtsanwalt Dr. Palm