Rechtsgebiet

Seniorenrecht ist keine geschlossene Rechtsmaterie, sondern kann lose so definiert werden, dass Rechtsprobleme, die im Alter typischerweise auftreten, hiervon erfasst werden. Das gesamte Erbrecht könnte in seiner Gesamtheit auch unter diesen Begriff gestellt werden. Aber auch familienrechtliche, sozialrechtliche, arbeitsrechtliche oder rentenrechtliche Fragen können sehr unterschiedliche Problemstellungen aufwerfen. Ein nicht unerheblicher Anwendungsfall des Seniorenrechts sind rechtliche Fragen rund um Heimaufenthalte.

Patientenverfügungen

Wichtig sind neben erbrechtlichen Verfügungen auch solche, die sich auf die eigene Existenz beziehen. Jeder kennt inzwischen Patientenverfügungen, die im Einzelnen festlegen, welche ärztlichen bzw. medizinischen Maßnahmen im Fall eines nahenden Endes noch getroffen werden sollen. Die Materie ist rechtlich nicht ganz einfach, was sich insbesondere darin zeigt, dass immer wieder neue Entwürfe vorgestellt werden. Das Bundesministerium der Justiz hat Vorschläge, die im Blick auf die einschlägige Rechtsprechung formuliert wurden. Aber auch diese Entwürfe sind im Einzelnen zu individualisieren. Denn erstens geht es um die Wertsetzungen und Motivationen des Verfügenden. Weiterhin sind aber auch viele Punkte unterschiedlich regelbar. Das sagt das Gesetz

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 1901 a Patientenverfügung

(1) 1 Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. 2Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. 3Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

(2) 1 Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. 2 Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. 3 Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.

(4) Der Betreuer soll den Betreuten in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung hinweisen und ihn auf dessen Wunsch bei der Errichtung einer Patientenverfügung unterstützen.

(5) 1 Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. 2Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden.

(6) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.

Der Bundesgerichtshof hat 2018 die Anforderungen an eine Patientenverfügung näher erläutert. Die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung kann sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln. Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen sind nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.

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Schmerzensgeld und ärztliche Beratungsmängel

Das OLG München entschied, dass ein Sohn als Alleinerbe seines verstorbenen Vaters Schmerzensgeldansprüche geltend machen kann, die ihm infolge einer künstlichen Ernährung des Vaters zustehen. Solche Eingriffe müssen im Fall von Demenz im Endstadium ausführlich mit dem Betreuer besprochen werden. Geschieht das nicht, kann die Lebensverlängerung eines Patienten einen Schaden begründen. Der Arzt eines nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten muss die Fortsetzung der PEG-Sondenernährung im vorbezeichneten Stadium im Fall einer rein palliativen Versorgung mit dem Betreuer genau erörtern. (OLG München vom 21.12.2017 – 1 U 454/17).

Die Ersatzpflicht des Arztes für eine Körper oder Gesundheitsverletzung umfasst bei Verletzung der vertraglichen Erörterungspflicht den immateriellen Schaden. Die Verletzung des Integritätsinteresses eines Patienten, dem über einen längeren Zeitraum ohne wirksame Einwilligung mittels einer Magensonde Nahrung und Flüssigkeit verabreicht wird, rechtfertigt für sich betrachtet bereits ein Schmerzensgeld. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Komplikationen wirken mit Blick auf Art. 1 GG auch dann anspruchserhöhend, wenn die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit eines Demenzpatienten infolge der degenerativen Gehirnerkrankung eingeschränkt ist.

Wäre der Patient bei pflichtgemäßem Verhalten des Arztes früher gestorben, besteht sein materieller Schaden in der Differenz zwischen dem Wert des Vermögens im Zeitpunkt des hypothetischen Versterbens und dem Vermögen bei tatsächlichem Eintritt des Todes.

Rechtsanwalt Dr. Palm